Mittwoch, 18. April 2012

Tägliches Üben? Muß das wirklich sein?

Im Unterricht werde ich immer wieder gefragt, vor allem von Anfängerinnen und Wiedereinsteigerinnen, wann sie denn endlich so gut sind, daß sie in eines meiner Projekte wechseln können. Die Antwort darauf ist nicht so ganz einfach. Denn es kommt weniger drauf an, wie lange man schon tanzt, oder wieviele Kurse/Workshops oder ähnliches man schon besucht hat, oder auch wo und bei wem man diese gebucht hat. Der wesentliche Faktor ist ein ganz anderer:

Im wesentlichen hängt die Verbesserung des eigenen Tanzstiles und der eigenen Technik zu einem ganz wesentlichen Teil davon ab, wieviel Zeit man bereit ist "privat" in sich selbst zu investieren.

Wenn ich dann antworte, jemand der wirklich gut tanzen möchte, muß bereit sein, täglich an sich selbst zu arbeiten und sich mindenstens einmal, besser zweimal pro Woche kontrollieren und vor allem korrigieren zu lassen. Immer wieder kommen dann Argumente wie: "aber ich tanze doch schon seit 5 Jahren" oder "ich war ja schon bei XY im Workshop" oder ähnliches. Aber schauen wir uns diese Standpunkte mal genau an:

Tänzerin A tanzt seit 5 Jahren, aber an der örtlichen Volkshochschule, Tänzerin B tanzt genausolange, aber regelmäßig und in einem festen Studio, Tänzerin C tanzt in einem festen Studio und ist auch zuhause mindestens dreimal pro Woche intensiv am arbeiten und/oder besucht bei Gelegenheit Workshops bei verschiedenen Dozenten und Dozentinnen.

Wenn man sich die Sache nun rein rechnerisch betrachtet, dann kommen die Tänzerinnen auf folgende Anzahl von Tanzstunden:

Tänzerin A tanzt an der VHS, also in der Regel einen Kurs im Frühjahr/Sommer und einen Kurs im Herbst/Winter eines Jahres. Bei einer Kurslaufzeit von angenommenen 12 Terminen macht das 24 Tanzstunden im Jahr und auf die genannten 5 Jahre gesehen sind das 120 Tanzstunden. Nicht gerade viel, wenn man es auf diese Weise betrachtet...

Tänzerin B tanzt in einem Studio, das monatliche Pauschalen anbietet und das in der Regel 6 Wochen Ferien im Jahr hat. Bei einem wöchentlichen Termin macht das also durchschnittlich 46 Tanzstunden im Jahr und somit 230 Tanzstunden in 5 Jahren. Bei der gleichen Zeit ist das schon nahezu doppelt so lange!

Tänzerin C tanzt im gleichen Studio und kommt somit auf die bereits errechneten 46 Tanzstunden im Jahr, bzw. 230 Tanzstunden in den genannten 5 Jahren. Aber nun war ja Tänzerin C auch zuhause fleißig und hat noch zusätzlich dreimal pro Woche eigenverantwortlich geübt, das macht im Jahr bereits knappe 150 Tanzstunden extra. Außerdem hat sie noch drei Tanzwochenenden besucht, bei denen jeweils Samstags und Sonntags 5 Stunden Unterricht war. Auch hier kommen nochmal 30 Stunden extra zusammen. Alles in allem macht das im Jahr 226 Tanzstunden (also etwa so viele wie bei Tänzerin B in 5 Jahren!) und dementsprechend in 5 Jahren satte 1.130 Tanzstunden!

Wer in den angenommenen 5 Jahren nun mehr erreichen wird, steht wohl außer Frage. Da braucht man auch über mehr oder weniger Begabung, Kurse oder Workshops oder berühmte Tänzerin XY als Dozentin erst mal nicht zu reden. Alleine die Übungszeiten und die daraus resultierende antrainierte Übungszeit übernimmt der Körper in sein festes Repertoire.

Und das ist der wesentliche Punkt: Bewegungsabläufe werden mit kontinuierlichem Üben im Körper als automatisierte Prozesse übernommen. Oder überlegt Ihr beim Essen, in welcher Hand Ihr die Gabel haltet? Ich denke mal eher nicht...

In der folgenden Artikelreihe, werden die verschiedenen Aspekte dieses interessanten Themas ausführlich erläutert. Wer jetzt schon neugierig ist, findet Teile des Artikels auch in den kommenden Ausgaben der Chorika. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen...